Unser nicht alltägliches Brot

VON ALEXANDER WISCHNEWSKI.

An drei Tagen in der Woche, Donnerstag, Freitag und Samstag ist die Nacht für Toni Como sehr früh vorbei. Er beginnt die Arbeit in seiner Backstube in Bensheim. Füllt einen riesigen, holzbeheizten Rundofen mit Teigfladen für Brote, Baguettes, Croissants und immer wieder anderem Backwerk. Kein Milligramm Konservierungsstoff ist in seinen Teigen zu finden. Er mahlt sein Roggen- und Dinkelmehl selbst, ist quasi mit jedem Korn per Du.

Toni-Como

Toni Como, Inhaber der „Dorfmühle“, Bensheim-Auerbach

Den Ofen hat er in den Vogesen entdeckt. Elektro oder Gas kamen für ihn nie in Frage. Hat der Steinofen seine Arbeitstemperatur von gut 340 Grad Celsius erreicht, kommen die Teiglinge auf die riesige, runde Steinplatte, die sich ständig dreht. Zuerst die, die die meiste Backzeit brauchen. Dann stufenweise all die, die schneller braun und knusprig sind. Wie vor hundert Jahren. Damals konnte man es sich ebenso wenig wie heute leisten, mit den Energieträgern leichtfertig umzugehen. Für Toni pures Handwerk, reine Gefühlssache, erlernbar, formatiert durch Erfahrung, Timing. Keine Sensoren, null Automatik, zéro Elektronik. Geht doch.

Tonis Backwaren; à la bonheur. A la franςaise! Das Nachbarland hat so manche Phase seines Lebens und somit ihn selbst geprägt: Frankonorm, frankophil, trotz des italienischen Nachnamens. Als ganz Junger, ganz wilder Student der Philosophie waren Jean Jacques Rousseau und Jean Paul Sartre seine Vorbilder. Rousseau. Dessen Aufforderung hat für ihn nie ihre Bedeutung verloren: Zurück zur Natur! Das lebt er vor. Ist schon seit vielen Jahren Gastronom und für Bündnis 90/Die Grünen im Gemeindeparlament.

Ein uriges, gemütliches Wohnzimmer für Gäste ist seine „Dorfmühle“ in der Auerbacher Bachgasse. Mit einer durchaus französisch anmutenden Speisekarte. Das ist für ihn Wertetransfer, Handwerk, Ursprünglichkeit. Er fährt oft, nie über die Autobahn, sondern über die Landstraße nach Frankreich. Zusammen mit seiner Frau sammelt er in Kneipen und bei Bauern Ideen und Rezepte für Speisekarte oder Backstube. So wie es sich gerade ergibt. Und dann gibt es in der Backstube mal eine Weile Petadons. Tartelettes, mit Käse und Oliven gefüllt.

In Mulhouse hat Toni einen regionalen Bauernmarkt entdeckt und schwärmt anhaltend mit geatmeten Gesten. Die Fahrt geht auch oft weiter in Richtung Süden. In Dijon studiert seine älteste Tochter Theaterwissenschaften und ist nun in diversen Projekten aktiv. Er ist stolz auf Lisa, denn er konnte ihr viel von dem mitgeben, was ihn selbst geformt hat. Toni Como liebt das Ursprüngliche, das Unverfälschte, kompromisslos und streitbar. Direkt und schnörkellos seine Ansage. Da kam mal einer zu ihm, der wollte 18 frisch gebackene kleine Gugelhupfe kaufen. Zum Einfrieren. Toni lehnte ab. Nicht mehr als drei. „Ich backe doch nicht frisch und ohne alle Konservierungsstoffe, damit Du dann die Kuchen einfrierst. Das ist doppelte Energieverschwendung.“ Der hat das kapiert. „Und ist inzwischen ein treuer Kunde unserer Backstube, gehört zu den 90 Prozent Stammkunden. Und mehr als drei Gugelhupfe bekommt er immer noch nicht.“